Zur Namensgebung

Ausschnitt aus: Matthias Stomer: »Christus und Nikodemus« (Hessisches Landesmuseum Darmstadt) Ausschnitt aus: Matthias Stomer: »Christus und Nikodemus« (Hessisches Landesmuseum Darmstadt)

Über Nikodemus (Νικόδημος) wird im Johannesevangelium bei jeder weiteren Erwähnung auf das im 3. Kapitel geschilderte Geschehen zurückverwiesen, als Nikodemus zu dem von ihm als Mysterienlehrer erkannten Gottessohn „im Nachtbereich“ (νυκτς) zur esoterischen Unterweisung gekommen war. Nikodemus, zunächst ins Fragen gekommener gesetzestreuer Schriftgelehrter[1] der mosaïschen Gebotsethik, später einer aus der Mitte des Mysterienschülerkreises um Jesus, fragt nach der Initiation und erfährt als erster vom Christus Jesus selbst das Geheimnis der Wiedergeburt aus dem Geiste[2]; wir sehen ihn später bei der Grablegung von Christi Leib 75 Pfund eines alchymischen Salböls aus Myrrhe und Aloe beitragen, direkt neben Joseph von Arimathia, der mit dem Entschluss zur Bestattung des Gekreuzigten das geschichtlich erste Zeugnis eines ethischen Individualismus ablegt.

Das im Johannesevangelium genannte neue Geistes-Licht, in dem der Baum der alten Offenbarung welken wird, ruft Nikodemus zur Lebenswende auf: Er hat das

  • nicht der bloßen Sinnen- und Werkwelt verfallene und
  • nicht von den Gewohnheiten bloß intellektuellen Klügelns verlockte,

sondern

  • aus der tagwachen Organbindung befreite

Bewusstsein als dasjenige erkannt und gewählt, aus dessen inspirativen Gaben er im sozialen Wirken geistesgegenwärtig und initiativkräftig handeln kann: Der „Nachtbereich“[3] wird ihm nicht Milieu seelischer Trance, sondern ruhiger Quellort eines inneren Lebens.

So kann Nikodemus als der erste Meditant in der Christussphäre gelten. Moderne Geistesschülerschaft setzt diesen Gestus auf einem – bei stets erneut aktiv sich verwandelndem Denken beginnenden – Weg der Selbsterziehung fort.

 

 

 


[1] „ὁ διδάσκαλος τοῦ Ἰσραὴλ“

[2] γεννηθναι νωθεν“ [wörtl.: „von oben“]

[3] „mystischer Schlaf“

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